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Was ist eine intravitreale operative Medikamentenapplikation (IVOM)?

Bei diesem operativen Eingriff werden ambulant in einem operativen Eingriffsraum werden Medikamente in das Augeninnere injiziert, nachdem die Oberfläche mit Tropfen betäubt und desinfiziert wurde.

Die Medikamente gelangen dabei in den Glaskörper, eine durchsichtige gelartige Substanz, die das Augeninnere zwischen Linse und Netzhaut ausfüllt. Der Glaskörper dient dabei als Medikamentendepot.

Es gibt Vorteile der in das Auge injizierten Medikamente:

  • Meist kommt es gegenüber einer Lasertherapie zu einem schnelleren Wirkungseintritt.
  • In vergleichenden Studien kam es häufiger zu Sehverbesserungen als mit der Lasertherapie.
  • Zusätzlich ist keine Netzhautdestruktion durch Narben - wie bei der Laseranwendung - nötig.

Allerdings sind auch Nachteile zu berücksichtigen:

  • Die Wirkdauer ist oft begrenzt ist, sodass - je nach Medikament unterschiedlich häufig - weitere Injektionen nötig werden.
  • Auch wenn der Eingriff selbst durch die örtliche Betäubung nicht schmerzhaft ist, können selten Verletzungen der Oberfläche und Irritationen entstehen.
  • Es besteht das sehr seltene Risiko schwerer Nebenwirkungen, wenn es durch Keimverschleppung zu einer Augenentzündung kommen kann. Linsenverletzung und Blutungen sind noch seltener.
  • Für den einzelnen Menschen sind (systemische) Nebenwirkungen nicht vollständig auszuschließen, auch wenn eine Stärke dieser Medikamentengabe in der geringen Menge an Wirkstoffen besteht, die in den Körper gelangen.


Welche Medikamente werden dabei eingesetzt ?

Es werden verschiedene Präparate-Gruppen zur Behandlung der diabetischen Retinopathie –speziell des diabetischen Makulaödem – verwendet. Diese unterscheiden sich bezüglich des Wirkmechanismus, wie auch in der jeweiligen Wirkdauer und dem Nebenwirkungsspektrum. Prinzipiell handelt es sich dabei um Präparate aus 2 Medikamentengruppen:

1. VEGF-Hemmer:

Der Wachstumsfaktor VEGF (vascular endothelial growth factor) spielt – wie beschrieben – sowohl bei der Entstehung der proliferativen Retinopathie wie auch des Makulaödems eine große Rolle. Wird er gehemmt, so kann dadurch ein Rückgang der Makulaschwellung und oft eine Sehverbesserung erreicht werden.

Die dazu zur Verfügung stehenden Präparate werden aufgrund dieses Wirkmechanismus als „VEGF-Hemmer“, „VEGF-Antagonisten“ oder „Anti-VEGF-Therapie“ bezeichnet. Da die Wirkung einer Injektion jeweils nur zirka 4-6 Wochen anhält, sind zunächst mehrere Injektionen im monatlichen Abstand nötig. Danach wird meist abhängig vom Befund weiterbehandelt. Es werden im ersten Behandlungsjahr hierzu durchschnittlich 7-9 Injektionen für eine effektive Therapie benötigt. Danach sinkt die Notwendigkeit von Wiederbehandlungen deutlich ab, so dass nach 2-3 Jahren meist nur wenige Injektionen pro Jahr durchschnittlich noch nötig werden.

Zur Therapie des Makulaödems zugelassene Medikamente aus der Wirkstoffgruppe der VEGF-Hemmer sind: Ranibizumab (Handelsname: Lucentis®) und Aflibercept (Handelsname: Eylea®). In die gleiche Wirkgruppe gehört auch Bevacizumab (Handelsname: Avastin®), ein Präparat, das ursprünglich zur Darmkrebsbehandlung entwickelt wurde und keine Zulassung zur Anwendung bei diabetischem Makulaödem hat. Aus Kostengründen wird es trotzdem weltweit seit vielen Jahren auch ohne Zulassung – als „Off label-Behandlung“ - in dieser Indikation eingesetzt, ebenso wie auch bei der Behandlung der feuchten Makuladegeneration und anderer Augenerkrankungen.

Als positiver Nebeneffekt werden auch diabetische Gefäßproliferationen von allen Medikamenten dieser Gruppe günstig beeinflusst, jedoch ist diese Wirkung nicht anhaltend und an gleicher Stelle kommt es nach einiger Zeit wieder zum erneuten Auswachsen der Proliferationen, weshalb die Präparate bislang in dieser Indikation nicht zugelassen sind und bislang nicht auf eine panretinale Lasertherapie verzichtet werden kann.

Einsatzbereich und Nebenwirkungen: Am Auge sind derzeit - außer den allgemeinen Risiken durch die Injektion selbst - keine wesentlichen Nebenwirkungen durch die VEGF-Hemmung bekannt, weshalb diese Präparate auch angesichts der guten Wirksamkeit meist als Therapie der ersten Wahl bei sehbeeinträchtigendem diabetischen Makulaödem eingesetzt werden. Der Wachstumsfaktor VEGF spielt jedoch im gesamten Körper eine Rolle bei Wachstum und Gesunderhaltung von Gefäßwänden, Nervenzellen, bei der Organreifung im Kindesalter sowie bei Wundheilungsprozessen. Da jeweils sehr geringe Mengen der VEGF-Antagonisten vorübergehend nach der Injektion im Körper nachweisbar sind, sollte zumindest kurz nach Schlaganfall oder Herzinfarkt das theoretisch hier bestehende Nebenwirkungsrisiko gegen den Vorteil der Behandlung abgewogen werden, auch wenn bislang noch kein klarer Hinweise auf derartige Nebenwirkungen gefunden wurde. Noch strenger sind solche potenziellen Nebenwirkungen natürlich bei einer Schwangerschaft abzuwägen, um mögliche Schäden für das Kind zu vermeiden. Entsprechend sollte während einer Anti VEGF-Therapie auf entsprechende Verhütungsmaßnahmen geachtet werden.


2. Kortisonpräparate:

Außer den VEGF-Hemmern werden verschiedene Kortisonpräparate bei der IVOM-Behandlung des diabetischen Makulaödems eingesetzt, die über mehrere verschiedene Mechanismen abschwellend wirken können, indem sie u. a. gefäßabdichtende und antientzündliche Wirkung entfalten.

Die Wirkung einer Injektion ist hier meist deutlich länger als bei den o.g. Wachstumsfaktorhemmstoffen.

Jedoch sind im Gegensatz zu den VEGF-Hemmstoffen häufiger lokale Nebenwirkung am Auge zu beobachten:Einerseits kann es bei Kortisonpräparaten vermehrt zu Augeninnendruckanstiegen kommen, die meist mit vorübergehender Tropfenbehandlung und in seltenen Fällen operativ behandelt werden müssen. Daher sind wiederholte Augeninnendruckkontrollen nach der Injektion unbedingt nötig, um eine Schädigung des Sehnerven durch erhöhten Augeninnendruck (grünen Star) zu verhindern. Bei vorbestehendem grünen Star ist daher besondere Vorsicht geboten.Andererseits beschleunigen diese Präparate die Trübung der natürlichen Linse, also die Entwicklung eines grauen Stars.Daher werden diese Kortinsonpräparate vor allem dann bei einem diabetischen Makulaödem eingesetzt, wenn das Sehvermögen hierdurch beeinträchtigt wird und VEGF-Hemmstoffe nicht wirken oder diese aus anderen Gründen nicht in Frage kommen.

Ozurdex® ist ein zur Behandlung des diabetischen Makulaödems zugelassenes Kortisonpräparat. Es handelt sich hier um ein sogenanntes Slow-release-Präparat, d. h. der Wirkstoff verzögert freigesetzt wird, um eine längere Wirkung zu erhalten. Bei Ozurdex handelt sich dabei um ein kleines Stäbchen, welches aus einer Trägersubstanz und dem Kortison Dexamethason besteht. Dieses Stäbchen wird mit einem Applikator über eine dünne Nadel in das Auge implantiert. Sonst ist das Vorgehen dabei genau wie bei den IVOM-Behandlungen mit VEGF-Antagonisten. Im Auge löst sich das gesamte Stäbchen langsam komplett auf und dabei wird über 3 bis maximal 6 Monate der Wirkstoff Dexamethason im Auge freigesetzt. Das Stäbchen kann bis zu seiner Auflösung gelegentlich störend bemerkt werden, falls es sich im Bereich der optischen Achse des Auges befindet.Wiederbehandlungen sind nach klinischer Erfahrung oft mehrfach, meist im Abstand von zirka 3-4 Monaten erforderlich. Augeninnendruckanstiege treten in 20-30% in meist leichter Form auf und sind fast immer mit Tropfen zu beherrschen.

Iluvien® ist ein zur Behandlung des diabetischen Makulaödems zugelassenes Kortisonpräparat. Hierbei handelt es sich ebenfalls über ein Slow-release-Präparat, das ebenfalls mit einem Applikator über eine Nadel in das Auge implantiert wird. Dabei wird der Wirkstoff Fluocinolon aus einer sich nicht auflösenden kleinen Plastikhülle, die im Auge verbleibt, über 1-3 Jahre langsam freigesetzt. Der Vorteil einer sehr seltenen Injektion leuchtet sofort ein. Da sich in Studien aber gezeigt hat, dass ein schwerer Augeninnendruckanstieg, der sogar operativ behandelt werden muss, hier in bis zu 5% der Fälle innerhalb von 3 Jahren zu erwarten ist, muss die Indikation dieses zugelassenen Präparates sorgfältig überlegt werden: Es sollte nur eingesetzt werden, wenn zuvor andere Verfahren erfolglos angewendet worden sind. Es handelt sich daher um eine Therapie der 2. Wahl.

Triamcinolon ist ein nicht zur Behandlung des diabetischen Makulaödems zugelassenes Kortisonpräparat, das als gereinigte Suspension aus kleinen löslichen Triamcinolonkristallen in das Auge injiziert wird. Dort lösen sich die Kristalle langsam über 2-3 Monate auf und setzen den Wirkstoff frei. Die Behandlung ist off-label, wird aber v. a. aus Gründen der sehr geringen Therapiekosten weltweit nicht selten angewendet. Neben den üblichen Nebenwirkungen der Kortisonpräparate ist gelegentlich mit vorübergehender massiver Trübung durch Reaktion auf die Trägersubstanz zu rechnen, die oft schwer von einer bakteriellen Augeninfektion zu unterscheiden ist.

Einsatzbereich und Nebenwirkungen der Kortisonpräparate: Ein Vorteil der Kortisontherapeutika in der IVOM-Therapie des diabetischen Makulaödems ist neben der gegenüber den VEGF-Hemmern reduzierten Injektionshäufigkeit auch, dass allgemeine Nebenwirkungen außerhalb des Auges im Gegensatz zu den VEGF-Antagonisten selbst theoretisch nicht zu erwarten sind. Dies kann gelegentlich ein zusätzlicher Vorteil sein, wenn es sich um einen sehr kranken Patienten handelt. Die genannten lokalen Nebenwirkungen sind jedoch ein klarer Nachteil, weshalb ein Seh-beeinträchtigendes diabetisches Makulaödem meist zunächst mit Anti-VEGF-Präparaten behandelt wird. 

 

Praktische Durchführung der IVOM-Behandlung:

Die intravitreale Medikamentenapplikation erfolgt ambulant in einem speziellen operativen Eingriffsraum. Zu Vermeidung einer schweren Augeninfektion werden dabei die üblichen Vorkehrungen zur Hygiene eingehalten wie bei anderen operativen Eingriffen auch. Der Behandler führt zuvor eine Händedesinfektion durch, trägt sterile Handschuhe und einen Mundschutz während des Eingriffes. Ferner wird vor der Injektion kontrolliert, ob eventuelle bakterielle Infektionen der Lidkante bzw. der Bindehaut oder andere Gründe vorliegen, die gegen eine Injektion sprechen. Danach erfolgt eine wiederholte Gabe steriler Betäubungstropfen, die für Schmerzfreiheit des Eingriffes sorgen. Durch Desinfektion der Lider und lokale Spülung der Bindehaut mit einer meist Iod-haltigen keimabtötenden Flüssigkeit wird das Infektionsrisiko weiter gesenkt. Das Auge wird zum Eingriff steril abgeklebt und ein steriler Lidspreizer eingesetzt, der vorübergehend ein Zusammenkneifen der Lider für die Dauer des Eingriffes verhindert. Meist wird der Patient aufgefordert, kurz auf ein bestimmtes Ziel zu sehen und während der nachfolgenden schmerzfreien Injektion nicht stark zu kneifen, damit das Verletzungsrisiko durch Augenbewegung weiter minimiert wird. Der Patient sieht dabei gelegentlich die Flüssigkeitsbewegung im Auge während der Injektion. Nachdem kurz orientierend die Sehfähigkeit nach Injektion getestet wurde, wird abschließend die Abdeckung entfernt und meist etwas antibiotische Salbe in das Auge gegeben. Eine antibiotische Tropfentherapie für die Tage nach der Injektion ist in der Regel nicht erforderlich. 


Was ist zu beachten, um Komplikationen bei einer IVOM zu vermeiden?

Injektionsbedingte mögliche Komplikationen, wie Netzhautablösung, Linsenverletzung, Blutungen oder schwere Entzündungen des Auges durch Keimverschleppung in das Auge sind bei korrekter Durchführung sehr selten. Das Risiko solcher Komplikationen liegt pro Injektion im Promille-Bereich, so dass man bei der operativen Medikamenteninjektion in das Auge von einem recht sicheren Verfahren sprechen kann.

Dennoch ist es wichtig, dass der Patient weiß, wie er solche Risiken durch sein Verhalten minimieren kann und dass er über häufige harmlose Begleiterscheinungen der Injektion informiert ist, aber auch mögliche Warnsymptome einer drohenden Komplikationen kennt, um ggf. rasch zu reagieren und einen Augenarzt aufzusuchen.:

Vor der Injektion: Sagen Sie, wenn sie Symptome einer eitrigen Lid oder Bindehautentzündung bemerkt haben oder unter massiven Angstzuständen leiden, die gegen eine Durchführung sprechen könnten

Bei der Injektion: Versuchen Sie ruhig den Anweisungen zu folgen und heftiges Augenkneifen oder plötzliche Blickbewegungen zu vermeiden (der Eingriff ist wirklich kurz und schmerzfrei)

Nach der Injektion: Vermeiden Sie es, direkt nach dem Eingriff zu schwimmen oder zu duschen. Vermeiden Sie, wenn möglich, eine Augentropfenbehandlung am Injektionstag oder nutzen dazu nur eine frisch geöffnete Tropfflasche, um Infektionen zu vermeiden.
Wenige Tage nach der Injektion sind 1-2 Kontrolluntersuchungen bei dem betreuenden Augenarzt vorgesehen, die helfen mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen.

Typische harmlose häufige Begleiterscheinungen direkt nach einer Injektion

  • schmerzfreie Blutungen an der Bindehaut (sind nach wenigen Tagen rückläufig)
  • Wahrnehmung einer kleinen dunklen unten gelegenen beweglichen Blase (meist harmlose kleine Luftblase, die 1-2 Tage später komplett verschwindet)
  • Rötung Kratzen und Brennen der Augenoberfläche am tag des Eingriffes ( meist oberflächliche vorübergehende Reizung der Augenoberfläche durch die Maßnahmen ( sollte aber am Folgetag verschwunden sein!)
  • Verschwommensehen am Tag des Eingriffes (meist durch die Hornhautoberflächenreizung, eine Pupillenweitstellung und/oder Salbe bedingt - sollte am Folgetag normalisiert sein)

Warnzeichen auf eine mögliche Komplikation der IVOM, die veranlassen sollten, den Augenarzt rasch zu kontaktieren:

  • Schmerzen/Druckgefühl 1-5 Tage nach Injektion evtl. mit Sehminderung
    (verzögert auftretende Schmerzen sind ein klares Warnsymptom →  erfordern sofortige (!) Augenuntersuchung:
    sie können auf evtl. bedrohliche schwere Augeninfektion oder starken Augeninnendruckanstieg hinweisen)
  • Rußregen/ Blitzwahrnehmung und/oder zunehmende Gesichtsfeldausfälle („dunkle Wand“)
    (möglicher Hinweis auf Netzhautloch, eine beginnende Netzhautablösung oder auf eine Glaskörperblutung → zeitnahe Vorstellung beim Augenarzt)
  • Zunehmende Sehminderung (verschiedene Ursachen möglich → zeitnahe Untersuchung [wenn zusätzlich Schmerz → sofortige Untersuchung!])


Es bleibt aber trotzdem festzuhalten: die IVOM Therapie ist ein wirksames Standardbehandlungsverfahren bei diabetischem Makulaödem mit nur sehr selten zu erwartenden schweren Komplikationen und kann vielfach helfen, das Sehvermögen zu verbessern. Eine Kombination auch mit Lasertherapie ist möglich !